Nazis. Anarchismus und Perspektiven von W.M.
Dieser Artikel ist ein Vorläufer zu einem umfassenderen Text welcher sich mit der Entstehung und Festigung rechter Strukturen im ländlichen Raum befassen soll. Die Fortsetzung ist ca. in einem Monat zu erwarten.
In den letzten Wochen wurden Menschen in Dresden wieder verstärkt Opfer von rechten Über- und Angriffen. Die Rechte im sächsischen Raum erstarkt spürbar und lässt andere politische Schwerpunkte linker Arbeit zunehmend in den Hintergrund treten. Der antifaschistische Kampf wird dabei leider immer noch fast ausschließlich in den Städten geführt und nicht dort wo rechtes Gedankengut am meisten verbreitet wird – auf dem Land.
Dabei gibt es auf dem Land auch für anarchistische Menschen eine Menge Potential für politische Arbeit.
Ländlicher Raum – Ungefördertes Potential
Das Potential ergibt sich zum einen aus dem Drang vieler Jugendlicher heraus, etwas zu verändern. In vielen Dörfern und Städten im Osten Sachsens gibt es allerdings einfach keine anderen, sich als revolutionär verstehenden (bzw. in diesem Fall eher ausgebenden) , Strukturen als die der rechten Organisation. Junge Menschen mit Drang zum Umsturz der vorherrschenden Verhältnisse werden von Nazis (welche sich an diese Umstände mit ihrem neuen Style gut angepasst haben) mit Schlagwörtern wie „Freiheit“, „Kameradschaft“ (ersetzt die Solidarität), „Autonomie“ (hier wird der Begriff z.B. in einen territorialen Kontext gestellt) usw. angelockt. Die Besetzung linker Themenfelder, Schlagwörter und Symbole ist dabei nicht einfach nur ein guter Werbe-Gag sondern sogar eine Notwendigkeit da sich mit der altrechten Schiene lange nicht genug Menschen anwerben lassen könnten um wirklich aktionsfähig zu sein.
Die Vermutung liegt nahe, dass viele junge Menschen sich eine ganz eigene, etwas verworrene, Interpretation ihrer politischen Szene herleiten die im wesentlichen eher zur linken als zur rechten Richtung tendiert – diese Vermutung wird durch das Auftreten von Querfront-Gruppen, Autonomen Sozialisten usw. bestärkt. Ich persönlich würde sogar behaupten, gäbe es auf dem Land mehr linksradikale Strukturen – so würde die rechte innerhalb kürzester Zeit einen großen Teil ihrer neu gewonnenen Anhänger_innen an diese verlieren. Fest steht: In dieser Gesellschaft haben jüngere Menschen ein höheres Rebellions- und Revolutionspotential, wenn es keine linksradikalen Anknüpfungspunkte gibt, so wird ein großer Teil der Leute eben zu den rechtsextremen Gruppen gehen. Was ich sagen will wird sicher deutlich: Wir brauchen mehr antifaschistisch-emanzipatorische Strukturen auf dem Land!
Linkes Denken etablieren – Aber wie?
Viele reden von den ländlichen Regionen Sachsens als wären sie schon so, wie sie die NPD gerne hätte – national-befreite Zonen. Das sind sie allerdings in der Regel nicht. Von 5 Leuten die NPD wählen, wählen 4 Menschen aus reiner Dummheit. Dies liegt zum einen an einem zum Teil mehr als bedenklichen Bildungsgrad, zum anderen aber auch an Desinformation über die NPD an sich.
Trotzdem reicht das Bild, welches in der linken Szene von diesen Orten vermittelt wird offenbar aus, um sie politisch absolut uninteressant für die meisten Aktivisitis zu machen. Dazu kommt noch der Fakt, dass auf dem Land einfach nicht viel los ist – ergo den meisten einfach zu langweilig.
Dabei zeigen Erfahrungen in der Sächsischen Schweiz und im Risaer Umland durchaus, dass mensch einiges verändern kann – zum Beispiel mit kollektiver Kinderbetreuung Workshops usw.. Natürlich sollte mensch seinen Mitmenschen Zeit lassen, jede_r ist immerhin irgendwie sozialisiert, wurde Jahre lang mit irgendwelchen Mist erzogen und die wenigsten sind als Super-Anarch@s geboren worden. Viele wollen anklopfen und treten die Tür ein – um mal sinnbildlich zu werden. Natürlich sind in einem kleinbürgerlichen Weltbild Begriffe wie „Anarchie“, „Kollektiv“ usw. anders belegt als bei uns, deswegen lohnt es sich in Diskussionen diese Schlagwörter zu umgehen.
Fakt ist jedenfalls, dass außerhalb der größeren, sächsischen Städte Häuser und Höfe für geringe finanzielle Mittel verfügbar sind und soziale bzw. kulturelle Angebote von der Bevölkerung meist dankbar angenommen werden. Solche Angebote schaffen enorme Möglichkeiten zum politischen Dialog und zur Emanzipation. Es ist sehr traurig, dass die Faschist_innen dieses Potential weit besser zu nutzen wissen als linksradikale Strömungen.
Eine weitere Perspektive ergibt sich aus Zusammenschlüssen von anarchistisch-denkenden Menschen abseits der „normalen“ politischen Themen. Diese bieten zum einen die Möglichkeit umfassendere, anarchistische Positionen auszuarbeiten und zum anderen die Aussicht an unerwarteten Stellen Personen zu politisieren. Schlussendlich lässt sich damit der rechten Strömung die Vorherrschaft über ganze Themenfelder entreissen.
Dies klingt jetzt vermutlich recht wage, deshalb ein Beispiel:
Mehrere Anarch@s interessieren sich für Botanik, Geologie, Geschichte etc. – also Themen die im ländlichen Raum durchaus auf Interesse stoßen. Sie gehen also ihrem Hobby nach und arbeiten einen Vortrag oder ähnliches aus und bieten diesen in verschiedenen Gemeinden an. Auf die Veranstaltungswerbung schreibt mensch dann einfach einen fiktiven Namen der unauffällig aber bestimmt auf den politischen Kontext hinweist. Mensch hält den Vortrag und erklärt z.B. anschließend die politische Intention des Zusammenschlusses, bindet politische Positionen sacht in den Vortrag ein o.ä. – damit bricht mensch in der Bevölkerung das Klischee vom bombenwerfenden Chaoten (dessen Intellekt sonst nur zum Schnorren und Pöbeln reicht), schafft eine positive Assoziation und damit eine Grundlage für einen weniger voreingenommenen Dialog.
Selbiges funktioniert natürlich auch mit Themen wie Pädagogik, Kunst und und und.
Fazit:
Es gibt noch lange keinen Grund die ländlichen Regionen aufzugeben, im Gegenteil da ist noch viel zu holen – wenn mensch sich nur die Mühe machen würde.
Ich freu mich wie immer auf Kritik und Diskussion.