Wieder einmal habe ich 2 Tage und eine Nacht mit dem zocken irgendeines beknackten PC-Games verbracht. Zeitweise habe ich sogar – und das ist noch beknackter – einfach nur zugesehen wie mein Freund spielt.
Als ich dann heute Morgen bei den täglichen Erledigungen einen Himmel erblickte der in seiner Farbgebung die Möglichkeiten meiner Grafikkarte um Längen übertraf und ich die Sonne ebenso wie die eisige Winterluft in meinem Gesicht spürte, da war es wieder da: Das schlechte Gewissen einmal mehr Tage verschenkt zu haben, die einem später vielleicht unbezahlbar erscheinen werden.
Ihr kennt die Frage vielleicht, die ich mir heut zum hundertsten mal gestellt habe:“Wieviel Lebenszeit, wieviel Chancen schon auf diese Art und Weise verloren?“ Der Gedanke an die sinnlos hingeopferten Stunden, die betäubten Empfindungen, die Lieben die mensch in der Benebelung unbeachtet vorbeigehen lies würden wohl die meisten Menschen wahnsinnig machen. So ist es nicht verwunderlich das ein Großteil des menschlichen Tagesablaufes darauf ausgerichtet ist, die mahnenden Stimmen in ihrem Kopf zum schweigen zu bringen, sie zu unterdrücken oder sich von ihnen abzulenken.
Doch wenn wir allein mit uns sind, wenn keine zerstreuende Beschäftigung greifbar ist, dann kriechen sie schleichend und fressend in uns hoch – die düsteren, nagenden Gedanken über unser Leben und das „Was wäre wenn…“. Sie sind dann alle wieder da, die ungeachteten Minuten, Tage und Wochen unseres Lebens, die wir arrogant exekutierten für ein bequemes Überleben in der Maschinerie. All die Träume die erfroren sind, weil wir zuviel Angst hatten ihnen Leben einzuhauchen, sie kehren zurück und fragen uns mit fassungslosen, toten Augen nach dem „Warum?“.
Wir haben Angst vor dem Leben und versuchen es in kontollierte Bahnen zu lenken, uns angenehm zu benebeln bis wir unsere Existenz endlich hinter uns gebracht haben. Unsere Realitätsflucht ist allgegenwärtig, egal ob das PC-Game, der Joint oder das stumpfe Fernsehprogramm. Lieber ein angenehmes Dilirium als sich mit der Intensität der Realität auseinander zu setzen in der mensch nicht cheaten, umschalten oder sich auf einen anderen Film schieben kann.
Immer wenn ich mich mit einer der oben genannten Möglichkeiten, angenehm und unkompliziert meinen Lebenszeit rumzukriegen, konfrontiere fällt mir auf, dass ich damit die Sehnsucht nach Leben, Abenteuer und Leidenschaft zu lindern suche.
Denn ein Abenteuer ist es längst nicht mehr durchs Land zu ziehen, denn das Land ist zahm und so eng das es mir die Kehle zuschnürt. Eine Stadt sieht aus wie die andere und an den meisten Orten reden die meisten Menschen die meiste Zeit die gleiche Scheiße wie überall sonst. Abenteuer ist auch schon lang nicht mehr sich der Staatsmacht entgegen zu stellen. Auch hier immer wieder der selbe Mist, mal verlierst Du eben sofort und mal dauerts länger. Hast Du das Spielchen erstmal durchschaut geht Dir jede Spannung dabei verloren.
Auch die Leidenschaft wird hart auf die Probe gestellt, denn auch wenn in unseren Kreisen gerne von einem „miteinander und für einander“ gesprochen wird, so sind die Beziehungen der zusammen kämpfenden Menschen doch oft von Oberflächlichkeit, Misstrauen und der Angst vor Nähe gekennzeichnet. Die Leidenschaft stirbt ebenfalls, wenn das Gefühl für das persönlich richtige und die vom Herzen diktierte Richtung des Handels nichts mehr zählt und alles immer mit 5 Aufsätzen, Zitaten aus min. 10 Bücher und min. 3 Fremdwörtern pro Satz belegt werden muss. Nicht zu letzt stirbt unsere Leidenschaft wenn jedes Stück Lebensfreude, Kindlichkeit und gelebte Utopie in stundenlangen Wortgefechten gegen sogenannte „Professionalität“, Bündnispolitik und dergleichen Übeln mehr behauptet werden muss.
So flüchten auch wir -an sich lebensfrohen- Utopisten immer wieder in unsere Scheinwelten, konsumieren uns stumpf, schalten uns ab, ersticken unser schöpferisches Potential und fügen uns so der Maschinerie die wir bekämpfen wollen.
Warum aus unseren alltäglichen Fluchtversuchen nicht öfter eine Flucht nach vorn machen, hinein ins Leben? Keine konsumierende Flucht bei der es um die Betäubung geht, nein eine schaffende, die danach strebt sich selbst und die eigene Umwelt aktiv zu bereichern und zu gestalten.
Es muss nicht zwingend immer die Revolution sein, die wir mit unseren Taten auslösen. Viel würde es schon innerhalb und außerhalb der Szene bringen, die Leute von den Tüten, Tastaturen und Bildschirmen wegzubekommen. Wir müssen uns selbst und unseren Mitmenschen wieder Lust auf die aktive Gestaltung unserer/ ihrer Leben machen. Das ist die absolute Vorraussetzung für einen sozialen Umbruch in unserem Sinne. Du bist also gefragt: Wenn Du Dich das nächste mal wieder erwischst, wie Du gerade sinnlos Lebenszeit in den Restmüll kippen willst entscheide Dich anders, fahr zu einem/r Freund_in und rede stundenlang über Philosophie, geht baden in der Elbe, spielt Fußball auf der Prager Straße, geht wandern oder macht ein Lagerfeuer auf einer Freifläche. Fragt euch einfach mehrmals am Tag ob die Tätigkeit die ihr gerade ausführt euch und/ oder eure Umwelt bereichert – wenn die Antwort nein lautet, dann sucht euch ne andere Beschäftigung. Erklärt der Langeweile und der Abstumpfung den offenen Krieg, streut Chaos in die Welt und fangt an wirklich zu leben – das ist wahrer Nonkonformismus, das ist eine der radikalsten Arten der direkten Aktion!
„Mein Widerstand heißt Lebendigkeit!“ - Früchte des Zorns